Depressionen: In der Kältekammer Im Glücksrausch der Hormone
Die Haut kribbelt angenehm, wohlige Wärme beginnt durch den Körper zu strömen, der intensive Ganzkörperkältereiz regt die Atmung an und Sauerstoff fließt vermehrt durch die Adern – ein Aufatmen geht durch den ganzen Körper. Insgesamt eine wohltuende, intensive körperliche Erfahrung, die so ziemlich alle Patienten nach dem Besuch einer Kältekammer beschreiben.
Endlich wieder ein positives und sehr lebendiges Gefühl – den eigenen Körper spüren. Danach sehnen sich an Depressionen leidende Menschen, von denen es allein in Deutschland rund fünf Millionen
gibt. Depression wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als eine der häufigsten Krankheit auf der Welt aufgeführt. Für depressive Patienten scheinen alltägliche Herausforderungen unüberwindbar. Schon morgens fällt das Aufstehen schwer, tagsüber ist man müde und antriebslos und nachts kann man nicht schlafen – diffuse Ängste und kaum noch Kontakt zu Freunden, ein Entfremden
von der Familie: Die Welt, wie man sie bisher kannte, gerät völlig aus den Fugen. So beschreiben ehemalige Betroffene ihre Erkrankung, bevor sie Hilfe bekamen.
Natürliche Rhythmen harmonisieren sich
Der kräftige Reiz in der Kühlkammer wirkt wie ein Neustart für Körper, Geist und Seele. Das Gehirn, unsere Steuerungszentrale, wird besser durchblutet. Über den Hirnstamm werden in komplexen Prozessen Hormone losgeschickt, die unser Gefühlsleben beeinflussen. Das führt dazu, dass das Aktivitätsniveau unseres zentralen Nervensystems reguliert wird, die natürlichen Rhythmen von Tag und Nacht können sich wieder einstellen.
Unter den extremen Bedingungen in der minus 85 Grad frostigen Kältekammer kommt es zu einer vermehrten Ausschüttung von Glückshormonen, die für unsere gute Laune zuständig sind. Und es sieht ja auch ganz lustig aus, mit Mütze, Handschuhen, warmen Socken, aber in Badebekleidung herumzulaufen…
Studie belegt messbare Erfolge
Dass die Ganzkörper Kälte-Medizin Depressionen lindert, hat bereits 2003 der Wissenschaftler J. Rymaszewsky mit 23 Patienten im Alter zwischen 37 und 70 Jahren in einer Studie erforscht. Die Probanden
waren nach strengen Kriterien ausgewählt worden und litten nachweisbar an mittleren bis schweren Depressionen. Innerhalb von zwei Wochen erhielten die Patienten zehn Kälteanwendungen.
Auch Menstruationsstörungen gemildert. Nach der Behandlungsserie fühlten sich sämtliche Patienten insgesamt wie auch im Hinblick auf Einzelsymptome deutlich besser.
Am meisten linderte die Kältetherapie frühmorgendliches Erwachen (100 Prozent), Schlafqualität (98 Prozent), Einschlafschwierigkeiten (91 Prozent) sowie Unruhe und motorische Hyperaktivität (90
Prozent).
Messbar erhöht war der so genannte Katecholamin-Spiegel – ein Oberbegriff für die Menge an Glücks- und Aktivitätshormonen wie Dopamin. Ganz offensichtlich ist die Kältetherapie in der Lage, Störungen zyklischer Körpervorgänge wieder zu harmonisieren:
Nicht nur Schlafrhythmen kamen wieder ins Lot, bei Frauen regulierten sich auch menstruale Zyklusstörungen durch die Kälteanwendung.
Der Frischekick und die Tatsache, den vorher unvorstellbaren Aufenthalt bei minus 110 Grad „überlebt“ zu haben, bescherten den Patienten neue Zuversicht und Lebensfreude.